Bis 14.07.2013 im Apollo Varieté
In seinem aktuellen Programm „Hallo Wien“ präsentiert das Apollo Varieté in Düsseldorf analog zum Frühling ein Programm, das unter dem Titel „Hallo Wien“ im Prater wieder die Bäume blühen lässt. Dem Zuschauer wird eine Wiener Melange serviert, die einerseits bizarre Figuren und Augenzwinkern beinhaltet, andererseits aber auch Anmut und Eleganz zu ihrem Recht verhilft. Dabei kommt das dem Publikum Gebotene nicht mit Wiener Betulichkeit daher, sondern mit viel Tempo und Temperament – mitunter auch sehr schräg, doch stets amüsant.
Dies zeigt sich schon zu Beginn bei der Publikumsbegrüßung durch die zwei Conférenciers, CharlyBorra und Otto Wessely. Sie bringen mit ihrem launigen Charme den weltberühmten Wiener Schmäh unter das Volk und treten später in der Show mit Solonummern erneut auf. An ihren Eingangsauftritt schließt sich ein Trio dreier junger Tänzerinnen an, die Wiener Walzer vorführen. Als Intermezzo sind sie immer zwischen den einzelnen Nummern der Show zu bewundern. Einmal treten sie als Hofdamen in Rokokokostümen auf und zeigen sich dabei ebenso frivol wie verführerisch; ein anderes Mal reiten sie auf Lipizzanerpferdattrappen und erfreuen auch damit das Herz vieler männlicher Besucher.
Zu quirliger Musik aus den 1950er Jahren setzt dann Viktor Minasov das Publikum in Erstaunen. Mit seinem unglaublichen Geschick macht er einen großen Ballon zu seinem Heim. Einmal verschwindet lediglich ein Arm oder ein Bein des Künstlers, dann sein Kopf, schließlich der komplette Mann in der riesigen Gummihülle. Am Ende dieser außergewöhnlichen Vorführung lässt Viktor Minasov die Luft aus dem Ballon und holt sich den verdienten Applaus ab. In einem Wiener Salon spielt Daria Golobokih als Dame der Gesellschaft mit ihren Katzen, tanzt und turnt mit ihnen und animiert sie zu vielen Kunststücken. Das Besondere daran ist, dass zu den Katzen, die aus Schubladen und Schränken springen, auch noch kleine Hunde kommen. In bester Harmonie mit den Katzen liefern sie ihre Tricks ab – was so nicht allzu oft zu sehen ist. Seit 13 Jahren zeigt Daria Golobokih diese lustige und ungewöhnliche friedliche Koexistenz von Hund und Katze, die sich im Allgemeinen ja eher spinnefeind sind.
Einen exzentrischen, aber sympathischen Dirigent auf dem Schlappseil gibt Oktay Novrouzov. Dieser Künstler ist in der Tat eine Ausnahmeerscheinung. Er hält die musikalischen Fäden in der Hand und schwingt impulsiv den Taktstock. Der Maestro demonstriert Grandezza und balanciert dabei souverän auf einem dünnen Seil zwischen zwei Pfosten über dem harten Bühnenboden. In seiner irrlichternden Art und mit seinen wie elektrisiert wirkenden Haaren erinnert er nicht von ungefähr an Tom Hulce, der vor fast 30 Jahren in dem Film „Amadeus“ einen anarchisch-punkartigen Mozart spielte.
Schon durch das bloße Äußere als völlig mit Silberfarbe überzogene Wesen erregt das Duo Silver Power die Aufmerksamkeit des Zuschauers. Mit seiner Hand-auf-Hand-Akrobatik tritt das ungarische Paar Anita Fuzy und Krisztian Kranitz-Nagy seit nunmehr sechs Jahren auf. Mit ihrem virtuosen Spiel von Hand und Körper bilden diese beiden Artisten eine mysteriöse Einheit. Die zwei bewegen sich zu langsamer Musik scheinbar in Zeitlupe, dabei graziös und kraftvoll zugleich. Der Auftritt bezieht viel von seinem Reiz aus dem spannungsgeladenen Miteinander von Frau und Mann. Ein Meister alter Schule ist ohne
Zweifel Charly Borra als König der Taschendiebe. Charly hat seine Fingerfertigkeit von seinem Vater Borisav Milojkovic (Künstlername: Borra) erlernt, der ein Magier mit Spezialisierung auf Taschendiebstahltricks war. Der Sohn brachte es nach fünf Jahren Ausbildung zu einem bühnenreifen Taschendieb. Heute stiehlt er auf internationalen Bühnen alles, was ihm in die Finger kommt, und unterrichtet übrigens in Diebstahlprävention. So manch einer hat sogar schon seine Brille eingebüßt, ohne dies zu bemerken – und auch diesmal erging es einem Zuschauer so, den Charly auf die Bühne geholt hatte. Amüsant ist die Selbstironie, mit der sich der Künstler aus Zigarettenrauch einen Heiligenschein über seinem Kopf zaubert. Borra, der eine Vielzahl Sprachen fließend spricht, ist in der Tat ein ganz Großer in der Welt des Varietés.
Seit drei Jahren faszinieren Olga Boiko und Oksana Demydenko aus Kiew mit ihrer Tuchakrobatik das internationale Publikum. Ihre elfenhaft anmutige Vorführung am Tuch, untermalt von kraftvoller und doch klassisch anmutender Musik, umfasst nicht bloß eine ganze Reihe von höchst komplexen Tricks. Die beiden Mädchen drücken dabei auch ihre Emotionen aus und erzählen eine Geschichte. Mit der spielerischen Leichtigkeit von echten Profis präsentieren sie gewagte Figuren auf artistisch höchstem Niveau. Sie kreieren dabei poetische Bilder, die Herz und Seele der Zuschauer in der Tat zu berühren vermögen. Die zwei Ukrainerinnen, die wie Zwillingsschwestern wirken, sind Poesie in Bewegung. Die Geschichte des Dicken, der seinem Ideal des schlanken Muskelmannes am Ende doch vergeblich nacheifert, erzählt ohne Worte Konstantin Mouraviev. Mit seinem Rhönrad kreiert dieser aus Moskau kommende Artist echt geniale Kunststücke. Er bewegt nicht nur sein sperriges Gerät, sondern auch das Gemüt der Zuschauer. Man freut sich mit Mouraviev, wenn sein Leibesumfang im Laufe des Auftritts immer mehr abnimmt. Doch seine hochkonzentrierte sportliche Leistung, gepaart mit viel Komik, ist zuletzt umsonst: Er trinkt eine Flasche Bier aus, und schon ist sein Bauch vom Beginn wieder da… Otto Wessely, ein gebürtiger Österreicher, startete als Jahrmarktkünstler im Wiener Prater. Er ist eine lebende Legende, ein Meister der gewollten Anhäufung von blankem Unsinn. Er gibt die Parodie eines Magiers, denn bei ihm verrutscht jedes Kunststück ins Lächerliche. Die Tauben und Hasen, die er aus dem Zylinder zaubert, sind bloß Plüschtauben und Gummihasen, doch was Wessely mit ihnen anstellt, treibt dem Zuschauer vor Lachen wirklich Tränen in die Augen. Es ist eben viel mehr als das von ihm während der Nummer so genannte „Kasperletheater“: Wessely ist der Anarchist unter der Magiern!
Victor Minasov, der zu Beginn von „Hallo Wien“ noch mit dem Ballon zu Gange war, ist im „Quick Change“ mit seiner Ehefrau Elena als Duo Minasov zu sehen. Als Weltmeister dieser Zauberdisziplin packen sie das blitzschnelle Kleidertauschen in einen leidenschaftlichen Tanz. In Sekundenbruchteilen wechseln Röcke mit Kleidern, Gold mit Silber. Das Auge des Betrachters hat dabei keine Chance, der Sache auf die Schliche zu kommen. Man kann also bloß staunen, mit welch atemberaubendem Tempo sie einen Kleiderwechsel vollführen. Leichtigkeit und Anmut sind die Hauptmerkmale dieser Nummer am Ende des Programms.
Mario Kandil
RONCALLI´S APOLLO VARIETÉ
Apollo-Platz 1
40213 Düsseldorf
Tel.: 0211- 828 90 90
Eintrittskarten und Showtermine