GOP Varieté-Theater Essen, “RED” (01.09.-30.10.2011)

In seinem aktuellen Programm „RED“ bietet das GOP Varieté-Theater Essen eine „Hommage an die Farbe der Liebe“, wie es im Titel dieser ebenso modernen wie bildstarken Show heißt.

Dieses Programm nimmt die Zuschauer mit auf eine Reise, die einerseits komisch-witzig, andererseits aber auch tiefsinnig ist. Damit wird man der Vielschichtigkeit dessen gerecht, was Liebe genannt wird und unendlich viele Facetten besitzt. In der Tat ist kaum eine andere Kunstform besser geeignet, dieses Phänomen darzustellen, als die Varieté-Kunst. Denn diese vereint auf der Bühne Humor, Musik, Tanz und Akrobatik.

Jeder Aspekt der Liebe wird in „RED“ durch einen artistischen „Act“ aufgegriffen und gestaltet, ist aber doch Teil eines großen Ganzen. Liebe, Leidenschaft und Eifersucht werden durch verschiedene Charaktere repräsentiert und sprengen als eindrucksvolles Märchen aus unserer Zeit die gewöhnlichen Dimensionen eines Abends im Varieté. Ob Handstandakrobatik oder elegante Kontorsion am Luftring, immer vereinigen sich die einzelnen Darbietungen in ihrer anrührenden Schönheit in der Inszenierung des Regisseurs Ulrich Thon zu einem Gesamtkunstwerk. Die kraftvollen Choreographien von Anett Simmen verleihen der Musik in „RED“ eine ganz eigene Note, während Anna Aulich beeindruckende Kostüme kreiert hat.

Den Rahmen der Show bildet das wirklich komische Clownpaar „Georges & Motoreta“ (gespielt von Nicolas und Raquel, die beide aus Frankreich kommen). Immer wieder wird der ebenso schüchterne wie unbeholfene Georges von dem in ihn verliebten Temperamentsbündel Motoreta „verfolgt“. Kaum in der Lage, sich gegen diese fast unablässig plappernde Spanierin zur Wehr zu setzen, wird der arme Georges von den „Attacken“ ihrer leidenschaftlichen Zuneigung stets aufs Neue überrollt. Zwar will er sich zwischendurch sogar einmal erhängen, doch auch das misslingt dem liebenswerten Tolpatsch. Am Ende entgeht er seiner Verehrerin natürlich nicht.

Inna

Inna

Ebenfalls wie ein roter Faden ziehen sich die Auftritte des deutschen Musikduos „Schneewitchen“ (Gesang: Marianne Iser, Piano: Thomas Duda) durch das Programm „RED“. Im Kontext deutscher Märchen und finsterer Todesromantik stehend, präsentieren sie wahrhaft schwarze, makabre Texte, die gnadenlos direkt und mitunter schwer verdaulich sind. Nicht von ungefähr wurde Sängerin Marianne Iser vom Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung mit einem bösen, schrillen „Schneewitchen“ verglichen.

Raue Eifersucht im Duett präsentieren die beiden Französinnen Theresa und Agnès als „Les Soeurs Pillères“. Hinter der brüchigen Fassade von Harmonie bekämpfen sich die beiden jungen Frauen ganz erbarmungslos, versucht eine, der anderen die Schau zu stehlen. Ihren Kampf um Anerkennung tragen sie als Ballerinas auf Spitzen wie Wölfinnen im Schafspelz aus. Doch nicht nur am Boden, sondern auch in der Luft bekriegen sie sich hart bis komödiantisch, aber stets kunstfertig. Denn für Eifersucht gibt es keinen festen Ort. Und selten ist diese von Zuwendung gekrönt.

Eine ganz besondere Erscheinung ist die 21 Jahre junge Kanadierin Sabrina Aganier, die am Luftring über der Bühne schwebt und den Betrachter durch ihre Anmut bezaubert. Ihre Darbietung lädt wirklich zum Träumen ein, verkörpert sie doch die romantische und weiche Seite der Liebe. Die in Montreal an der National Circus School ausgebildete Artistin begann mit Kontorsion am Boden und ist dabei, ein neuer Star der Lüfte über den Varietébühnen zu werden. Denn Sabrina verkörpert „poetry in motion“.

Auch in der Luft bewegt sich die 28 Jahre junge Ukrainerin Inna. Am Vertikaltuch schwingt sich Inna mit Anmut und Eleganz, aber auch mit einer Portion Unnahbarkeit durch den Raum. Weltentrückt und traumverloren kommt sie dabei den Zuschauern vor, die ihre Bewunderung für das Dargebotene nicht verbergen können. Auch dieser „Act“ symbolisiert das Romantische und Verträumte der Liebe.
Weniger verträumt, aber auch mit viel Eleganz und Körperbeherrschung beeindruckt der 31-jährige Ukrainer Slava. Zunächst zieht er – scheinbar schwerelos – im Cyr (einem an das Rhönrad erinnernden Reifen) seine Kreise. Danach balanciert, wirbelt und verharrt der Meister des Gleichgewichts auf den Sprossen seiner Leiter. Von dort aus greift er nach den Sternen, um sie zu entzünden – eindrucksvolle Artistik der romantischen Art.

Noch einmal Kontorsion bietet die 20 Jahre junge Anastasiia Mazur – auch sie aus der Ukraine. Fragil und filigran spannt sich die Künstlerin anmutig in starke Körpergesten. In ihrer vom Regisseur Taras Pozdnyakov entwickelten Choreographie spiegelt die junge Anastasiia einen anrührenden Traum von Einsamkeit wider, die sich nach Nähe und Wärme sehnt. Ihre Darbietung verfolgt man mit kindlichem Staunen – wie vieles in der gesamten Show „RED“.

Nicht nur von der Musik lauter, auch von der Darbietung weit weniger verträumt – so kommen die zwei (jeweils 29 Jahre jungen) Japaner Jin und Joo als „Hilty & Bosch“ mit ihrem Lockdance daher. Verspielt tanzen die beiden jungen Männer die reine Lebensfreude und die Essenz aus Lebensenergie und Übermut auf das Parkett. Rasant und dabei unglaublich synchron agierend, fasziniert das Duo mit jedem Funken, den es aus dem Boden stampft. Das Ganze ist ein wahres Wunderwerk aus Rhythmus und Bewegung, das vom Publikum mit stürmischem Applaus bejubelt wird.

Insgesamt gesehen ist „RED“ ein Ausflug in die Wunderwelt des modernen Varietés. Das Programm lässt die Grenzen zwischen Bühne und Zuschauern verschwimmen und sorgt kunstvoll und direkt für eine Atmosphäre, die oftmals Gänsehaut erzeugt. Mal temperamentvoll, mal anrührend – „RED“ ist in jedem Fall einen Besuch wert.

Mario Kandil

Mehr zu dem Programm unter www.variete.de
Tickethotline 0201 247 93 93 Tickets online

GOP Varieté-Theater Essen Rottstr. 30 45127 Essen