Cirque Bouffon, “Lunatique”

Der Franzose Frédéric Zipperlin, Gründer, Künstlerischer Leiter und Regisseur des Cirque Bouffon, hat mit „Lunatique“ (französisch: launisch; englisch: verrückt; russisch: Schlafwandler) seine neueste Kreation auf die Bühne gebracht, die am 29. März 2017 in Gelsenkirchen ihre gefeierte Uraufführung hatte. Die einzelnen Elemente dieser Show werden durch eine Rahmenhandlung verbunden, in deren Mittelpunkt ein Schlafwandler steht. Dieser bewegt sich mondsüchtig durch die von der dunkelblauen Zirkuszeltkuppel dargestellte Nacht, und mit dem Wechsel des Mondes ändert sich nicht bloß seine Gefühlslage, sondern es wechseln auch die Szenen der Handlung.

In jeder Szene erlebt das in eine Traumwelt entführte Publikum andere Artisten – insgesamt sind es zwölf aus sechs Ländern. Sie tragen die Show mit ihrer Akrobatik und Komik ebenso wie Anja Krips, die Partnerin von Frédéric Zipperlin, Direktorin des Cirque Bouffon für Deutschland und ausgebildete Sängerin. Sie begleitet das Geschehen mit ihrer markanten Stimme und singt in einer Fantasiesprache, von der für das darin ungeübte Ohr bloß das Wort „Luna“ (deutsch: Mond) zu verstehen ist. Untermalt wird alles von einer ebenso mystischen wie magischen Musik, die Sergej Sweschinskij, musikalischer Leiter des Cirque Bouffon, für diese Show komponiert hat und die von den Live-Musikern in virtuoser Manier präsentiert wird. Von ihrer guten Laune lassen sich die Zuschauer immer wieder anstecken und zum Mitklatschen inspirieren.

Bereits zu Beginn der Show wird spürbar, dass gerade in den einfachen Dingen oftmals eine besondere Faszination liegt. Dies zeigt sich z. B. dann, wenn ein Mann ein altes Grammophon in Gang setzt oder ein anderer Mann gravitätisch ein leuchtendes Goldfischglas durch die Manege trägt. Faszination geht ganz besonders von der Französin Charlotte de la Bretèque aus, die mit Akrobatik an einer Vielzahl von Vertikalseilen, den so genannten Multicordes, begeistert. Ihre Arbeitsgeräte, die wie Lichtfäden von der Zirkuskuppel hängen, hat sie selbst erfunden und verkörpert an ihnen Poesie in Bewegung. Sie tritt dabei in „Lunatique“ sowohl solo als auch zusammen mit der deutschen Artistin Emma Laule im Duo auf. Bei ihrem gemeinsamen Auftritt zeigen die beiden jungen Frauen auch ihr komisches Talent: Eine macht Späße auf Kosten der anderen, doch am Ende sind sie wieder gute Freundinnen. Andere Artistinnen, wie sie in ein elfenhaftes Weiß gekleidet, zeigen an den Multicordes ebenfalls ihr ebenso anmutiges wie gelenkiges Können.

Charlotte de la Bretèque und ihre Kolleginnen

Akrobatik zeigt auch Margo Darbois – und zwar Handstandakrobatik an einem Stuhl. Das beeindruckt die Zuschauer ebenso wie das, was die Schweizerin Mara Zimmerli alias Mara Aline Zoe zusammen mit ihrem Partner Chris Pettersen aus Norwegen an der rotierenden Leiter vollführt. Der Skandinavier balanciert mit dem zu Beginn schon erwähnten Goldfischglas offensichtlich mühelos über das dünne Schlappseil, ohne dabei auch nur etwas zu verschütten – eine virtuose Meisterleistung beim Halten des Gleichgewichts. Wahre Beifallsstürme löst er allerdings mit seinen Kunststücken an der rotierenden Leiter aus – die Dynamik seiner Vorführung springt auf das Publikum über.

Für die Tiere (wenn auch nicht für die wirklichen) im Programm ist der Clown und Pantomime Gregor Wollny zuständig, der in Gestik und Mimik stark an Mr. Bean erinnert. Die Zuschauer schütten sich vor Lachen aus, wenn er mit einem weißen Schwan auf seinem Haupt Ballett tanzt oder Plüschenten dressiert. Sehr amüsant ist es auch, wenn er sich mit Spülbürsten als Messerwerfer übt oder mit einem Zollstock höchst fantasievoll Figuren formt. Dieser Virtuose benötigt für seine Kunst keine Worte und steht in der Tradition der ganz großen Pantomimen.

Am Ende der beeindruckenden Vorstellung, wenn das umherwirbelnde Ensemble im Zirkusrund zum Schlafen niedersinkt, schließt sich der Kreis: Dann erwachen der mondsüchtige Schlafwandler und das Publikum zusammen und stellen mit Bedauern fest, dass „Lunatique“, ein wunderschöner Traum, nun vorüber ist. Wie schnell verflog doch die Zeit! Das Leben ist eben ein Hauch, wie es die brasilianische Architekten-Legende Oscar Niemeyer so poetisch formulierte. Das Publikum aber hört gar nicht mehr auf, dem Ensemble frenetisch zu applaudieren, und demonstriert so, wie begeistert es von ihm ist.

Mario Kandil

Der Cirque Bouffon gastiert mit „Lunatique“ in Köln (27.04.-05.06.2017) und Münster (09.06.-02.07.2017)

Mehr zu dem Programm unter http://www.cirque-bouffon.com/

Cirque Bouffon / Cirque Nouveau UG, Sülzburgstraße 216, 50937 Köln, Telefon: 0172 / 2512131